Die 3. Kugel – 7. Terrainwechsel

Hier nun ein weiterer Teil der Kriminalnovelle „Die 3. Kugel“ von Bodo Dringenberg. Wenn Du die vorherigen „Aufnahmen“ verpasst haben solltest, dann lies diese doch zuerst.

Kugelkultur

Viel Vergnügen …

Die 3. Kugel
eine Kriminalnovelle in dreizehn Aufnahmen von

Bodo Dringenberg

7. Terrainwechsel

Es hatte keinen intensiven Ausdruck von Trauer um Olaf gegeben, nur eine gewisse Bestürzung darüber, daß soetwas überhaupt passieren konnte. Fritz wurde die seltsam kühle Atmosphäre unter den Park-Boulern so bewußt wie nie. Eine Kühle, die auch schützte, die Respekt erforderte, Distanz – so wie Fritz die Kontakte zur überwiegenden Zahl der Menschen schätzte und wie ihm diese Gesellschaft gerade noch erträglich war.
Sie waren nun mal keine „Franzosen“. Die meisten Park-Bouler wußten es und spielten auch keine, wie es einzelne Freunde des Schmierentheatralischen versuchten und immer mal wieder erbittert von anderen verlangten.
Etwas anderes beunruhigte Fritz viel mehr: Wo mag bloß Olafs dritte Kugel geblieben sein? War sie mit Koks gefüllt gewesen und ihm nach dem Mord entwendet worden? Quatsch, dann hätte Olaf sicher nicht mit ihr Schießen trainiert. Und weder Neele noch er hatten unmittelbar nach dem Knallen jemanden in der Nähe des Parkwegs gesehen. Aber Olafs Kugel konnte sich doch nicht in Luft aufgelöst haben! Fritz kam nicht weiter.
Seine Verwirrung steigerte sich, als er durch seine morgendliche Zeitungslektüre erfuhr, daß an der Grenze im Saarland ein aufmerksamer Zöllner Kokain im Werte von mehreren zehntausend DM entdeckt habe. Das Rauschgift sei in Boule-Kugeln verborgen gewesen, und die Spur führe von Kolumbien über Marseille in den norddeutschen Raum.
Den gleichen Artikel hatte der mit dem Mordfall befaßte Staatsanwalt bereits empört gelesen, und er machte gerade einige Uniformierte rund. „Daß die da einfach noch Rumbuhlen können, wo Rauschgift gebunkert und dauernd geschossen wird!“ – da war er etwas ungenau informiert worden und hatte zudem die verwirrte Zeitungsglosse von Ute Olm auch noch mißverstanden – „Also, sofort sperren das Gelände, erstmal Platzverbot für alle, aber auch alle, die da mit Geschossen um sich werfen, solange bis die Ermittlungen beendet sind. Und für alle dort Aufhältigen polizeiliche Vorladungen. Wo sind wir denn hier! “ bellte er seine abschließenden Instruktionen den Polizeikräften entgegen.
Das Gelände der Park-Bouler wurde mit weißrotem Flatterband abgesperrt, rund um die Uhr bewacht von mindestens einem Beamten. Gerade Anwesende erhielten Vorladungen, und die Stadtmauer wurde erneut untersucht. Immerhin war die Befürchtung einiger, daß nun auch alle ihre Kugeln zwecks Koks-Kontrolle aufgesägt würden, grundlos gewesen.
Das Terrain zu wechseln, unfreiwillig, weil man dazu gezwungen worden war, das mag keiner – es sei denn, das gewohnte habe ihm, wie er meint, plötzlich Unglück gebracht. So gesehen wäre Olaf natürlich für einen Wechsel des Spielfeldes gewesen, aber dafür war es nun zu spät. Olaf hatte seine letzte Partie und die dritte Kugel ja verloren und er war ausgeschieden.
Doch wo nun spielen? Abhauen, alles abwarten, ein ganz neues Gelände suchen? Nein, sagten die meisten, nachdem wenige wie die blinden Hühner an der städtischen Peripherie herumgeirrt waren, nein, wir bleiben wenigstens neben der Absperrung, wir lassen uns nicht wegjagen und uns alles kaputt machen!
Und schon bald schienen sie wieder nur die üblichen Fragen zu bewegen: Wo ist das Schwein, wo ist der Kreis, wie steht´s jetzt, wieso is´n das so weich da, mit wem spiele ich eigentlich?
Auch Reginald, ein eher rarer, dafür besonders trinkfreudiger Mitspieler, trudelte auf seinem klapprigen Fahrrad ein. Sein lauter Fluch aber durchschnitt die Spielgespräche. In seinem Gitterkorb auf dem Gepäckträger hatten sich Flaschen und Kugeln energisch getroffen und ein supermêlée aus Eisen, Scherben und Bier veranstaltet.
Dirk kommentierte achselzuckend: „Wir spielen, bis der Tod uns abholt.“

FORTSETZUNG FOLGT

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