Die 3. Kugel – 12. Es klirrt.

Hier nun ein weiterer Teil der Kriminalnovelle „Die 3. Kugel“ von Bodo Dringenberg. Wenn Du die vorherigen „Aufnahmen“ verpasst haben solltest, dann lies diese doch zuerst.

Kugelkultur

Viel Vergnügen …

Die 3. Kugel
eine Kriminalnovelle in dreizehn Aufnahmen von

Bodo Dringenberg

12. Es klirrt.

Schweigend gehen Neele und Fritz durch den herbstlichen Park. Obwohl durch ihre Nähe prickelnd erwärmt, knabbert er immer wieder am Problem des unbemerkten zweiten Knalls am Mordtag herum. Neele formuliert bündig ihre Lösung:
„Es kann durchaus ein Doppelknall gewesen sein, den wir damals gehört haben. Ganz einfach: der vom carreau fiel mit dem vom Gewehr zusammen.“ Fritz wackelt nachdenklich bis zustimmend mit dem Kopf:
„À propos Doppelknall: Weißt du, Pétanque war und ist ein schönes Spiel. Aber wie das so ist mit Schönem, irgendwann fällt es in die Hände von Idioten. Und das ist nun gerade hier im Park passiert.“
Doch Neele bleibt hartnäckig beim Thema:
„Das mit dem einen Knall, obwohl der Killer zweimal auf Olaf geschossen hatte, war ganz einfach. Ich habe noch mal versucht, mich ganz genau zu erinnern: Sein erster Knall aus dem Gewehr kam genau mit meinem sur place auf 10 Meter zusammen. Weißt du noch? Du standest paralysiert daneben, ich war entzückt. Der Schuß war so riesig, daß wir nur für ihn ganz Auge und Ohr waren. Und so bekamen wir erst den zweiten, den tödlichen Schuß des Killers richtig mit.“
Fritz zuckte resignierend mit den Schultern: „Manchmal bemerke ich vieleicht das Wichtigste nicht.“
Sie erreichen ihr Ziel „Da Ettore“, eine kleine Gaststätte, die süditalienische Back- und Nudelspeisen anbietet. Ettore Svevo, ein kräftiger, gerundeter Mann, der selbst keine Ahnung vom Pétanque hat, begrüßt die sich bei ihm treffenden Park-Bouler wie immer mit einem besonders freundlichen: „Ahh, meine boccia-ragazze e -ragazzi“.
An zwei Tischen sitzen gute Bekannte. Gleich am Eingang plaudern Carla und Halil eifrig miteinander, hinten an der Wand sitzt Franz Brönner mit zwei Männern. Neele und Fritz setzten sich zu Carla und Halil, die ihnen im Wechsel Unerhörtes erzählen:
„Also, wir spielten da vorhin ein tête, und plötzlich steht da so ´ne Glatze vor mir und faucht: ´Gib den Stoff raus, oder ich stech´ dich ab, du scheiß Kanakke!´“
„Ja, und Halil hebt seine leeren Hände und sagt: ´Ich habe keinen Stoff, ich habe nie welchen gehabt. Wie kommst du darauf?´ Und dann holt der Typ sein Messer ´raus.“
„Merde, dachte ich, warum ist Fritz nicht da, der würde das jetzt hinkriegen.“
„Abseits, in fast 9 Meter Entfernung, steht nun Michael, unser neues Schießgenie, seine dritte Kugel in der Hand. Und ich bemerke, daß Michael die bedrohliche Situation aus den Augenwinkeln betrachtet.“
„Von dem erhoffte ich mir nun am wenigsten Hilfe. Ihr kennt ihn doch, Michael ist so einer, der sich konsequent aus allen Streitereien heraushält.“
„Aber mir fällt auf, wie blaß der jetzt ist und daß es in ihm arbeitet. Und du glaubst es nicht, plötzlich dreht sich Michael wie ein Geschützturm in unsere Richtung, macht seinen typischen Ausfallschritt und holt blitzartig aus. Das Klirren und der Schrei des Messerhelden waren fast eins.“
„Dieser Typ glotzt mich bloß an, hält sich die Rechte, und das Messer blinkt einige Körperlängen neben ihm aus den welken Rabattenpflanzen.“
„Der schrie noch irgendetwas und dann war er weg.“
„Ein klasse Schuß!“
„Unglaublich!“
Trinkend und lachend gehen die vier immer wieder diese Szene durch. Nach zwei Stunden ruft Carla ganz unvermittelt: „Oh, dieses verdammte Schwein! Das hat an allem Schuld!“ und in diesem Moment fliegt schon ihr Aquavitglas Richtung Franz Brönner, zu hoch allerdings.
Es klirrt. Das Bild über dessen Kopf sackt kraftlos herunter und knallt auf dem Boden. Wie es da so liegt mit gesplitterter Glasscheibe scheinen alle zum ersten Mal diesen blau-rosa Mittelmeerbucht-Aquarellschinken genauer zu betrachten.
So wurde Carla die erste Frau, die von Ettore Lokalverbot bekam. Für einen Monat – mehr bringt er nicht über´s Herz.

FORTSETZUNG FOLGT

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